Modetorten 
  

Sie war jung und blond und gut gelaunt. Ging ungehemmt an jeder Ecke freiluftatmen. Sie kannte sich aus amerikanischen Kinofilmen, wo kurzhaarige Mädchen nie eine Chance bekamen. 

Was machte sie in der Retrobranche? 
Wo lernte sie alles über halbhohe Schnürschuhe? 
Wem landete sie allmorgendlich am Frühstücksgedeck? 
Wer widmete ihr ein oder zwei Frühlingsgedichte? 

Wesentlich war sie als Einzelstück. Niemand kam auf die Idee, sich bei ihr einzuordnen. Ihr den Hof zu fegen. Was sie brauchte, brachte ihr nichts ein. Sie zog es vor, geschlossenen Fenstern Rückhalt zu gebieten. 
  

Er war dumm und blond und gut gebaut. Fing ungebremst an jeder Ecke Freiwild ein. Er konnte sich aussichtsreichen Kunden nähern, die kurzweilige Märchen zu hören bekamen. 

Was brachte ihm die Retourkutsche? 
Wo lähmte ihn allseitig überdrüssig der Schürhaken? 
Wem laberte er am Abend alle Frühschichten ab? 
Wer würdigte ihn ein, zweimal früher oder später? 

Winzig war sein Einzelding. Nichts konnte ihn anregen, sich bei ihm draufzusetzen. Ihm Hoffnung zu machen. Was er brauchte, beugte sich ihm vor. Er verlangte, gefürchteten Scharen Einhalt zu gewähren. 
  

Was passierte, als sie sich begegneten? Sie sagte, ich habe letzte Nacht von dir geträumt. Du warst braungebrannt und ohne Hemd. Die Sonnenbrille auf deiner Nase war schräg verrutscht, und schwarze Barthaare wuchsen aus den Wangen links und rechts vom Kinnhaken. Du lachtest und nahmst mich auf deine Arme. Zeigtest auf meine Unterwäsche oberhalb der Kniekehlen, schlackernde Staubwolke. Dann hast du einen prüfenden Blick verworfen und ganz zufrieden hohl gekratzt. Gesagt, das passe dir weiter in den Kragen. Das könntest du schon mal riskieren mir zuliebe. Unterdessen waren wir zwei im Auto versammelt, und hinter hochgezogenen Scheiben trieben wir die Röcke weiter südlich. Ob ich das gut fand, kann ich nicht mehr sagen, aber für dich war das ganz normal. Du warst so einer, der das so macht man das. 
  

Und was hatte er zu bieten? Er lud sie sich auf die Terrasse, er kochte sich ein Süppchen, er belähmte sie mit Koseworten. Siebenschön, Wurzelzeug, Liebesnest. Schmusezwerg, Hasenohr, Doldenstaub, Rosenkind. Was er anfaßte, verbrannte rücksichtslos aussichtsreich. Du hast dich mir erfolgversprechend einverleibt, waren seine Worte. Das war alles, was ihm dazu einfiel, woran er immerzu denken mußte. Heim ins Leib, möglichst viel auf einmal. Er rechnete nicht mit, er trieb es haltlos tatendurstig mit Erfrischungen jeder Art. Sie mußte zusehen, wie er ihr davontrieb, sich mit einer Unmenge Wasser einließ. Als er wieder mal auftauchte, steckten seine Finger unbelastet in jeglichen Küstenstreifen und Abwaschwassern. Verwirrten längst nicht mehr ihre Haargespinste. 
  

Sie blieben stumm und blond und ungebraucht. Brachten ungehindert Entscheidungen gegeneinander aus. Sie konnten annähernd alle Bewegungen machen, deren kurze Mahnungen allesamt später ausblieben. 

Was brachte ihnen das rhetorische Fragen? 
Wo lernten sie sich alles mitzugeben? 
Wem lauerten sie abträglich auffrischend? 
Wer wünschte ihnen viel Fangfreude? 

Wirksam waren sie als Einzeltaten. Niemals hatten sie vor, sich voneinander abzusetzen. Gegenseitig Luft zu lassen. Was sie brauchten, bräunten sie sich vor. Sie verstanden, wiedermal am Einlaß zu verweilen.