Dietmar Kamper

Ein Cursor

In sieben Stücken

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Es ist laut vor dem Bildschirm. Es schneit, zum ersten Mal in diesem Jahr. Aber Schnee haftet nicht an der Mattscheibe. Kein Vergessen. Alles, auch jeder gelöschte Fehler, wird notiert. Warum löschen? Brennt es denn noch? Ist nicht längst Asche ubiquitär? Computer werden von Feuerwehren, nicht von Brandstiftern gebaut. Überall sind Sicherungen installiert, die Entzündungen vermeiden sollen. Und die gefürchteten Viren löschen noch das Restfeuer der Sicherungsexperten. Keine Schrift ohne Nachschrift, aber ebenso keine Schrift ohne Vorschrift. Diese aufdringliche Besserwisserei, die manchmal hochkommt. Aus  unsichtbaren Ebenen: aus der Systemsteuerung, vom Programmdirektor, gar aus dem "system bios". Eine lauernde Anmaßung. Eine permanent schreiende Vorentschiedenheit, um die Spontaneität meines Schreibens zu bändigen. Aber ist dieses denn wild? Ich bin sofort bei der Hand gewesen, als es um Formatierungen ging. Ich habe akzeptiert: das seitenbesetzende Block- und Kastendenken; das Gebahnte der Zeilen; das Gestandene der Buchstaben. Der bei der Handschrift deutliche Zug ins Fremde unterbleibt nun von Anfang an. Immer die schnelle Rückkehr ins Eigene. Identfikation seiner selbst. Paßwort. Identifikation eines Selbst, einer in Betracht der Perfektion geradezu lächerlichen Fehlkonstruktion. Doch wem gehört dieses Selbst? Vor Jahren schrieb einer, der Computer ist ein Subjekt-Generator. Als maschineller Sozius erschafft er regelmäßig eine Situation, in der man sich als Herr der Lage wähnt. Diese Suggestion ist geblieben. Sie wird von vielen Anstrengungen eskortiert. Man soll sich aufgeben. Sklave werden. Dienstleisten. Dafür soll’s Macht geben. Herrschaft. HerrMannschaft. Doch ein solches Wähnen ist der Vorschein eines weltweiten Wahns, der sich nicht wissen kann. Man existiert mit Computern in schwankender Balance. In einem terrain vague, wechselnd als Sieger und als Verlierer. Aber nach und nach unfähig zu leben und zu sterben.